Donnerstag, 7. Februar 2013

"Pferdemassage", die Hohe Schule der Kommunikation


Vom "leisen Weg zur Losgelassenheit" und dem Mann, der ihn geht.

Dieser Artikel handelt von der Begegnung mit einem außergewöhnlichen Menschen und dessen besonderer Beziehung zu Pferden.





Unsere Aufgabe bestand darin, dieses Zusammentreffen, das Erlebte und Gelernte zu Papier zu bringen, ohne dabei den Eindruck zu erwecken, es handelte sich hier um eine der vielen Pferdeflüstereien, deren einziger Sinn darin besteht, Reiterinnen und Reitern das Geld aus der Tasche zu ziehen. 
Trotzdem werden wir uns in diesem Bericht nicht so sehr auf die, uns Deutschen so nahe liegenden, akademischen Hintergründe und das "Wie" oder "Warum" stürzen, sondern vielmehr auf unsere Wahrnehmungen. Pferde sind nicht akademisch, sie sind Fluchttiere und als solche hoch sensibel ihrer Umwelt gegenüber. Dieser Fakt scheint aber in der heutigen "lauten" Gesellschaft untergegangen zu sein, sodass Zuhören zu einer Kunst geworden ist.

Im Buch des ehemaligen Leiters der legendären "Spanischen", Oberst Alois Podhajsky, ist hierzu Folgendes zu lesen:
"Der Reiter ist der Träger der Ausbildung seines Pferdes. Er muβ dieses dauernd kontrollieren und scharf beobachten, um Fortschritte festzustellen und sie auch entsprechend verwerten. (…) Aber auch das Gefühl des Reiters bedarf einer ständigen Überwachung (…) denn auch Gefühle können trügen. So wird es oft dem erfahrensten Reiter ergehen, daβ er trotz einwandfreiem Gefühls erst vom Beobachter auf Unstimmigkeiten aufmerksam gemacht werden muss, weil es Pferden, besonders wenn sie entsprechend geschmeidig geworden sind, gelingen kann, Ihren Meister zu täuschen.Dies führt dann dazu, dass Fehler des Pferdes nicht registriert werden und damit Unterlassungen entstehen, die dann später schwer oder oft gar nicht mehr zu beheben sind "
( Alois Podhajsky, 1991)

Ein Meister seiner Klasse

Erklaerungen
Der Mann, der uns zum "Arbeitstreffen" eingeladen hatte, ist ebenfalls ein Meister seiner Klasse und seine Arbeit sollte man in dem von Oberst Podhajsky gesteckten Rahmen betrachten. 
Sein Name ist Jim Masterson, "Pferde-Masseur" für das United States Endurance Team bei den FEI World Equestrian Games 2006 in Aachen und der FEI World Endurance Weltmeisterschaft 2008 in Terrenganu, Malaysia. Heute arbeitet er bei fast allen Disziplinen "als Mann für's Feine" auf US-und internationalen Reitsportveranstaltungen: Im Grand Prix, FEI Nation's Cup, Pan American und World Cup-Spring-Veranstaltungen ebenso, wie bei internationalen Fahrmeisterschaften. 

Beobachtungen und Konsequenzen

Jim vermittelte während unseres Zusammentreffen, trotz seiner vielen Arbeit, Ruhe und Gelassenheit, was sich wiederum positiv auf Pferd und Reiter auswirkte. Seine, über Jahre entwickelte und gezielt  eingesetzte Entspannungstechnik für Pferde, die sich im Endeffekt als überzeugend wirksam erwiesen hat, gab er selbst den Namen „Masterson Methode TM. Therapeuten würden diese Methode wahrscheinlich als "neuromuskuläre Umerziehung" bezeichnen, aber das alleine wäre zu oberflächlich.
Wir hatten die Gelegenheit, Jim zwei Tage lang bei der Arbeit zu beobachten und dabei sind nicht nur beeindruckende Bilder entstanden, denn  in einzelnen Gesprächen mit Jim wurde klar, dass es bei der seiner Arbeit um weit mehr geht, als "Wellness für Pferde". Das wiederum erklärt sich wohl aus der Entstehungsgeschichte der „Masterson Methode TM“.
Jim war schon immer "der Mann im Hintergrund", der für die Betreuung von Sportpferden vor und nach dem Einsatz im Springparcour zuständig war. Er hatte dabei genügend Zeit und Gelegenheit, Pferde zu beobachten und verschiedensten Therapeuten bei der Anwendung von unterschiedlichsten Techniken zur Wiederherstellung mehr oder weniger verspannter Sportpferde über die Schulter zu schauen.
Jim erkannte, dass manche Berührungen bei Pferden bestimmte neurologische Reaktionen hervorriefen, die Anzeichen für einen Spannungsabbau waren und begann damit, diese Reaktionen zu kartieren. Er nutzte diese Notizen als Richtschnur für die Entwicklung eines eigenen Systems zur interaktiven Behandlung.
Irgendwann 1997 fügten sich für Jim die Puzzleteile seiner Beobachtungen zusammen und er entwickelte, wie schon vorher genannt, die „Masterson Methode TM eine Art sanfte manuelle Therapie zur Entspannung und Entlastung des Bewegungsapparates bei Leistungspferden. 


Das Pferd gibt den Ton an

Anamnnese mit Pferd u.Besitzer
Die Erkenntnisse, die er bis dahin gewonnen hatte, spiegeln sich noch heute in seinem Umgang mit Pferd und Reiter deutlich wieder. Mehr sogar, ein Pferd ist bei Jim immer wieder für eine Überraschung gut, denn durch die Interaktivität der „Masterson Methode TM“ bleibt das Ergebnis eines jeden Treffens vollkommen offen. Dem Pferd wird die Möglichkeit gegeben, während der Behandlung dem Therapeuten "mitzuteilen", wo sich Spannungen angesammelt haben, und wieviel "Druck" nötig ist , um sie freizusetzen, und auch, wann die Spannungen freigesetzt sind. Durch die intuitive, sanfte und interaktive Art und Weise, mit der dies von Statten geht, erhöhen sich Vertrauen, Bindung und die Effektivität der Verständigung zwischen Mensch und Pferd. 

Die Masterson Methode in der Praxis

Wie das zu verstehen ist, möchten wir an einem kurzen Beispiel erläutern:
Unser erster Treffpunkt mit Jim Masterson war das Erste Aachener ReitsportCenter auf Gut Neuhaus. Jim begegnete uns schon nach zwei Minuten in einer der Stallgassen, mit Hängemappen unter dem Arm. Nach einer freundlichen Begrüβung ging sie dann auch schon los, die Reise in Jim's Welt.
Kommunikation 101
Jim ist "on Tour", manchmal nur sechs, aber meistens neun Monate im Jahr. In dieser Zeit übernimmt seine Frau Heim und Terminkalender in den USA, ist sozusagen Kommunikationsschaltstelle zwischen Jim und dem Rest der Welt. Der Terminkalender ist mit der Betreuung von USEF Kaderpferden, Privatpatienten und Seminaren gefüllt. Jim lebt seine Passion, er ist einer der wenigen Menschen, für die ein Pferd mehr ist, als ein Wirtschaftsgut. Er ist eine Art Gegenpol zur Kommerzialisierung, eine Oase der Besinnung auf das Wesentliche der Reiterei. Wir begleiteten Ihn zunächst an einem Freitag bei Privatpatienten. Uns begegneten die üblichen Probleme:
 "Das Pferd geht nicht an den Hilfen, biegt sich nur nach einer Seite, nimmt keine Last auf der Hinterhand auf" usw.
Jim hörte zu, öffnete die Patientenakte und notierte:
Die beiden Pferde, die wir besuchten, gehören zu der typischen Gruppe von Pferden ambitionierter Reiter: Coopers Creek, Hannoveraner, sechs Jahre Dressur/Springen M. Das Pferd kam aus einem Sportstall und lernte bei seinem jetzigen Besitzer, einem angehenden Pferdewirtschaftsmeister, das "gute Pferdeleben" kennen. Man kümmert sich artgerecht, ist Bezugsperson und sorgt für angemessenen sozialen Kontakt. Den, so erklärte man uns, pflegt "Charly", wie Coopers Creek genannt wird, mit Dirty Harry, einem interessanten Brandenburger, 8 Jahre alt. Harry ging mit vier Jahren im Bundeschampionat, springt S und kam ebenfalls aus einem Sportstall.

Die Besitzer, Michael und seine Frau hatten Jim zu Hilfe gerufen, denn bei beiden Pferden bestanden Rittigkeitsprobleme, die mit den herkömmlichen Methoden bis dato nicht in den Griff zu bekommen waren.
 Charly war rechts verspannt, ging travers und an Durchlässigkeit war bei Ihm nicht zu denken. Sein Kollege, Dirty Harry, hatte von Haus aus ein leicht schiefes Gebäude, auch er ging nicht an den Hilfen und war unter dem Sattel schwer zu beurteilen.
Was nach dem Vorgespräch passierte, war eigentlich nichts Magisches, sondern vielmehr das Ergebnis jahrelanger Beobachtungen, basierend auf einer genauen anatomischen Kenntnis des Bewegungsapparates. Berücksichtigt man dann noch die "Verhaltensauffälligkeiten" des Fluchttieres Pferd und ist in der Lage sich daraus ein Gesamtbild zu machen, dann gelangt man in die Sphären eines Jim Masterson. Betrachten wir es aber einmal genauer:

In der Ruhe liegt die Kraft und in der Sensitivität des Pferdes liegt der Schlüssel zum Erfolg.

"Man muss ein Pferd nicht anschreien, damit es hört", das ist Jim‘s Motto.
Seine Hände tasteten sich sanft den Meridian links und rechts der Wirbelsäule entlang, ohne auch nur einmal den Blick vom Gesicht des Pferdes zu nehmen. Jedes Augenzwinkern wurde registriert und notiert, denn das war eine Reaktion auf die Berührung an den neuralgischen Punkten. An solchen Punkten hielt Jim inne. Seine Hand blieb einfach liegen, ganz sanft-ohne Druck. Es wurde still um uns herum, die Atemfrequenz von Charly sank merklich, freigesetzte Endorphine arbeiteten. Dann kam es. Charly wurde unruhig. Gewichtsverlagerung, der Schweif wedelte und plötzlich das Loslassen der Spannung: Charly kaute, schnaubte ab und Jim trat ein paar Schritte zurück. Wir bobachteten die Reaktionen des Pferdes, kommentiert von Jim, der immer darauf bedacht war, sein Tun und Wirken zu erklären.
Nach einer Weile sagte Jim: "Schauen wir mal, was er uns jetzt anbietet."

Beobachtungen
Charly kaute weiter vor sich hin, seine Augen waren halb geschlossen, er lief eine Runde in der Box, blieb stehen, kaute, suchte Augenkontakt mit Jim und kam dann auf Ihn zugelaufen.
Charly wollte mehr und Jim setzte seine Arbeit fort. Diese nach Plan, denn sie verläuft in logischen Phasen. Nach der Klärung der neuralgischen Punkte links und rechts des Pferdes, folgte die Detailarbeit. Muskeln und Sehnen wurden erst sanft und dann mit etwas mehr Druck massiert, Gelenke bewegt, soweit es das Pferd zulieβ und Schulter und Hüfte wurden entlastet. Alles im Einklang mit dem Pferd:
"Kein Ziehen, kein Drücken, ohne das Einverständnis des Pferdes"
Das ist die oberste Maxime der „Masterson Methode TM“.

Nicht jedes Pferd hat "etwas anzubieten", nicht jedes Pferd ist kommunikativ.


Nachdem Jim bei Charly auf soviel Offenheit gestoβen war, traf er bei Dirty Harry zunächst auf eine Wand. Im Laufe der Behandlung stellte sich dann heraus: Dirty Harry befand sich quasi in der inneren Emigration. Jahrelanges Leistungstraining mit immer wieder wechselnden Reitern und deren Ansprüchen an ein "funktionierendes Sportgerät" haben dieses Pferd abstumpfen lassen.
Jim erzählte: "Pferde sind Fluchttiere, sie zeigen keine Schwächen, denn dann werden sie vom Jäger schnell als leichte Beute ausgemacht. Schwächen werden kompensiert und sorgen für Verspannungen, schädliche Bewegungsmuster usw."
Dirty Harries Wand
Dirty Harry war ein Meister der Kompensation und ein Schlitzohr, wenn es darum ging, seine wahre Befindlichkeit vor dem Reiter zu verstecken. Bei Dirty Harry war eben auch der Name Programm.
Mit viel Ruhe und Geduld arbeitete er sich zu den neuralgischen Punkten bei Dirty Harry vor, der jedoch anfangs ständig bemüht war, diese mit irgendwelchen Fresshandlungen oder Spielereien zu tarnen. Aber irgendwann lief auch Harry im Kreis und wollte mehr.
Das Interessante aber fand am Rande des Geschehens statt: Dort nämlich entstand eine ruhige und angenehme Atmosphäre, fernab vom Trubel des Reitstalles. Ein eigenes kleines "Universum zum Wohle des Pferdes" könnte man es nennen. In diesem Universum ist Jim wie ein Spiegel, in dem der Reiter plötzlich sein Pferd erkennt und die Rolle, die er selbst als Reiter in dieser Beziehung spielt. Erinnern wir uns an die Worte von Alois Podhajski, dann ist die Arbeit von Jim deutlich anders zu bewerten, als die eines bloßen Massage-Therapeuten.

Unterwegs in Europa

Auch bei unserem zweiten Besuch, anlässlich eines Seminars in Belgien, begegneten uns gähnende, schnaubende Pferde und deren staunende Pferdebesitzer. Bemerkenswert dabei war, dass sich unter den Seminarteilnehmern auch Therapeuten aus dem Humanbereich befanden, die bei Jim ähnliche Ansätze zu Ihrer Arbeit am Menschen erkannten. Die interaktive Komponente der „Masterson Methode TM“ ist auch bei dem Seminar der wichtigste Ansatzpunkt. Nicht nur die Kommunikation zwischen Reiter und Pferd beinhaltete das Tagesprogramm, sondern auch das Reflektieren der Arbeit nach jeder praktischen Unterrichtseinheit. Anatomische Kenntnisse des Bewegungsapparates des Pferdes wurden dort nicht mehr vermittelt, sondern sind eine Grundvoraussetzung. Trockene "Schuleinheiten" blieben uns daher erspart und Erlerntes festigte sich durch „AHA“-Erlebnisse.
Ausgerüstet mit einem "Workbook" wurden so in zwei Tagen acht Reaktionsmuster und 24 Techniken zur Lockerung der Muskeln des Pferdes in praktischen Einheiten von Jim vermittelt.

Jim Masterson interessant f.alle Sparten

In die Riege der Seminarteilnehmer reihten sich Sportstallbesitzer und Züchter genauso ein, wie Vertriebsmitarbeiter verschiedener Unternehmen der Pferdesportindustrie und Chiropraktiker.
Reiner Klimke spricht in seinem Vorwort zur Geburtstagsausgabe der "Klassischen Reitkunst" (Alois Podhajsky) von einer "Rückbesinnung auf das Wesen und die Ziele einer gymnastischen Ausbildung des Pferdes in einer Epoche, in der Show und Kommerz an Einfluss gewinnen" und erzählt von "der Persönlichkeit des Pferdes", die es gilt, zur vollen Ausstrahlung zu bringen.
Nicht umsonst wenden sich Profis weltweit an Jim, wenn Pferde wieder einmal nicht weiterkommen, der Reiter gegen eine unsichtbare Wand rennt und Leistungsabfälle drohen. Es ist oft nicht wirklich eine medizinische Angelegenheit und Jim betonte dies auch bei jedem Gespräch. Er ist kein ausgebildeter Chiropraktiker und hatte in diesem Bereich keine professionelle Ausbildung. 

Erfahrungswerte durch Praxis

Seine Technik basiert auf Erfahrungswerten und einer ausgezeichneten Beobachtungsgabe, gepaart mit Logik und einer außerordentlich guten Kenntnis des "Bewegungsapparates Pferd". So gesehen ist Jim ist ein typischer Vertreter des "American Way of Life: 
"On the Job Training, darauf sind wir spezialisiert.", 
sagte er zu uns. Die „Masterson Methode TM“ ist daher auch beschränkt auf das "Vordringen in verspannte Gegenden", ein Auffinden dieser neuralgischen Punkte, die das Pferd meisterlich zu verstecken versteht. Jim arbeitet diese Punkte heraus und veranlasst durch sanfte Druckmassage und vorsichtige Rotationen der Gelenke die Entspannung, damit das Pferd dann wieder in der Lage ist, seinen gesamten Bewegungsspielraum auszunutzen.


 Erfolg durch Zuhören

Wie am Anfang unseres Artikels bereits erwähnt: Zuhören ist eine groβe Kunst. Und die „Masterson Methode TM“ ist eine sanfte Art des  Zuhörens und Reflektierens, mit dem erfreulichen Effekt der vollkommenen Losgelassenheit des Pferdes.
Wenn Jim zu einem Pferd in die Box geht, lässt er die Welt da drauβen hinter sich. "Pferde teilen nicht unseren Zeitbegriff und die „Masterson Methode TM“ richtet sich nach dem Pferd", sagte Jim gleich zu Anfang unserer Begegnung. 
"Grundsätzlich ist Jeder in der Lage, diese Technik zu lernen, vorausgesetzt, es besteht eine gewisse Offenheit für Neues. "Es gibt Menschen, denen kann Ich Nichts beibringen, weil sie meinen, schon Alles zu wissen", bemerkte Jim mit einem Lächeln, "solche Menschen begegnen mir leider ziemlich oft, kaum zu glauben oder?"
Wer jetzt neugierig geworden ist und mehr über Jim und die „Masterson Methode TM“ erfahren möchte, findet unter www.mastersonmethod.com alle Informationen (leider nur in Englisch). Für weitere Fragen zu diesem Thema oder Anfragen zu Seminaren etc. stehen aber auch wir gerne vermittelnd zu Verfügung. 

Fragen schicken Sie bitte einfach an info@green-e-lite.com 

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